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Seit einiger Zeit „pilgere“ ich mal wieder öfters zu Live-Konzerten und habe mir diesbezüglich den ein oder anderen lang ersehnten Wunsch erfüllt.
Ach Quatsch: Im Grunde genommen renne ich schon mein ganzes Leben lang zu Konzerten jeglicher Art und Stilistik und haue sehr viel von meinem Taschengeld dafür raus.
Die Band U2 gehört ja nach besagtem Freitag Nachmittag 1983, an dem ich die Zeitung Prisma aufschlug und mir Bono’s Energie geladenes Gesicht entgegen strahlte, zum regelmäßigen Konzertereignis. Dazu mehr an anderer Stelle…(Rockpalast Loreley 20.08.1983, das line up war total geil: Stray Cats, Steve Miller Band, Joe Cocker …)
Mein Musikgeschmack lässt sich stilistisch in diesem Leben nicht mehr in eine Schublade pressen. Ein cooler „auf die Glocke“ gespielter Viervierteltakt kann mich genauso zur Extase bringen wie ein Klaviersolo von Keith Jarret oder eine spannend interpretierte Beethoven Sonate.
Es gab und gibt es noch immer einige Bands und Künstler, die ich unbedingt gerne mal auf der Bühne erleben wollte. Einige davon sind: The Who, Billy Joel, Keith Jarret Trio, The Tubes, Placebo, Sol Gabetta und dann The Beatles.
Aber verdammt: Falscher Jahrgang. Die Beatles sind an mir vorüber gegangen. Als ich mir im zartem Alter von 1 Jahr eine Eintrittskarte für ein Beatles Konzert zum Geburtstag gewünscht habe (1969), bekam ich nur einen Sack grüner Äpfel und konnte zum damaligen Zeitpunkt nix damit anfangen.
Danach waren die Beatles ja schnell von den Bühnen weltweit verschwunden, obwohl sie ja noch fleißig zeitlose tolle Songs geschrieben haben.
Als ich aber vor einiger Zeit den wunderbaren Film „Sound City“ von Dave Grohl (Nirvana und Foo Fighters) gesehen hatte, dachte ich zuerst: Man!! Dave Grohl ist so ein wahnsinnig inspirierender Musiker und Mensch! Und dann später im Film: Wow Paul McCartney ist immer noch ein cooler Typ UND: Er ist noch auf diesem Planeten. Vielleicht kann ich da Beatles-technisch ja noch was aufarbeiten, wenn ich mir den Mann mal live „reinziehe“. Gesagt getan. Ticketalarm auf allen Kanälen, Karte gekauft und nichts wie hin Ende Mai 2016.
Ich hatte ein bischen Angst – vor – ? Vielleicht der eigenen Courage, vor Enttäuschung, vor einem „zu altem Publikum“, vor einem peinlichem gealterten Rockstar, vor zuviel Balladen und und und.
Aber nein:
Es kam ganz anders. Als ich mit meiner Frau auf dem Gelände der Esprit Arena (by the way: Für mich ist das immer noch die Phillipshalle) ankam, herrschte schon eine super angenehme Atmosphäre vor Ort. Das Publikum schien sehr gemischt zu sein: Gefühlt und gesehen so von ca. 7 bis 90 Jahren war alles dabei. Irgendwie war mir ganz warm ums Herz und ich dachte „Etwas Großartiges ereignet sich heute“.
Nach einem kleinen Kaltgetränk vor der Halle gingen wir dann zu unseren Sitzplätzen, die recht weit von der Bühne entfernt waren. „Au man, ob wir hier was mitbekommen? Hoffentlich ist der Sound nicht wie Brei!“
Als wir auf unseren Plätzen ankamen, waren wir überrascht: Die Bühne hatte gewaltige Ausmaße (so ca. 60 m breit und sehr hoch) und war auf der kompletten Längsseite der Halle platziert. An den den Rändern standen zwei riesige runde Bildschirme im Dosenformat, die sich drehten.
Das war schon vor dem Konzert richtig spannend, da hier Bilder, Collagen, Filme und Infos aus Paul McCartney’s Leben gezeigt wurden. Ich fand das richtig gut. Die Projektionen waren sehr gut aufbereitet. Es war etwas wie im Kino.
Bereichert wurde das multimediale Geschehen durch einen DJ, der interessante Musikcollagen mit vielen Samples aus Paul’s Beatles-, Wings, und Solozeiten live mischte. Eine sehr spannende Sache. Of langweilen mich solche „Acts“ vor einem Live-Konzert, aber dieser Mensch hat seinen Job richtig gut gemacht und mich auf das Konzert super eingestimmt. (kennt jemand seinen Namen?).
Ja: Und dann ging es los. Ich bekomme gerade beim Schreiben dieses Textes wieder eine Gänsehaut. Ich weiß auch nicht was da emotional bei mir abging. Ich war in einem Zustand von Begeisterung, Respekt und Rührung. Als die Band auf die Bühne kam schossen mir Tränen in die Augen – so was habe ich bisher noch nicht erlebt. Na wie auch immer:
Es ging direkt – nach einer kurzen Begrüßung (auf Deutsch) – los mit „A Hard Day’s Night“. Die Zuschauer (so ungefähr 27.000) in der komplett bestuhlten Arena waren direkt aus dem Häuschen. Viele sprangen auf und rannten zur Bühne. Auf den riesigen Leinwänden konnte man im Verlauf des Konzertes immer wieder Gesichter „aufgelöster“ glücklicher Fans sehen.
Ich hatte kurz vor dem Konzert die Lektüre der (einzigen von den Beatles autorisierten) Beatles-Biographie von Hunter Davies ausgelesen und mich im Rahmen der Lektüre intensiv mit der Musik der Beatles auseinandergesetzt. Von daher fand ich die Song Zusammenstellung an diesem Abend besonders toll, da ich viele Originale noch in den Ohren hatte.
Und die Live Darbietung konnte sich wirklich hören und sehen lassen. Der Sound war an unserem Platz wirklich richtig gut, was nicht an allen Sitzplätzen so war. (Freunde von uns saßen unten vor der Bühne, wo der Sound scheinbar recht schwammig war.) Das zeigt mir mal wieder, dass es recht schwierig ist, eine so große Halle ausgewogen zu beschallen.
Aber wie gesagt: Wir haben alles bestens und differenziert hören können. Die Band war echt der Hammer. Gut eingespielt und voller Energie. Paul McCartney war unzweifelhaft der Chef, aber auf Augenhöhe mit seinen Musikern. Alle spielten mit gleicher Energie und voller Enthusiasmus. Der Gesang war sehr gut zu hören und verstehen. Paul Mc Cartney’s Stimme immer noch brillant und fast „jugendlich“.
Ich hatte mich zuvor ja gefragt, ob es vielleicht peinlich werden kann, wenn ein in die Jahre gekommener Rockstar mit 73 Jahren auf die Bühne geht. (ist Bewegung auf der Bühne, Bühnenpräsenz?, kommt die Stimme noch annähernd an das ran, was man aus vergangener Zeit kennt, ist der Musiker authentisch?) Eine – sicherlich absolut subjektive – Messeinheit hierfür ist mein persönlicher „Balladenfaktor“. Ich habe schon öfters Konzerte dieser Art gesehen, auf denen das Programm zu großem Anteil aus weichgespültem Balladen-Kuschelrock besteht. Ich baue dann meistens recht schnell ab… Aber nein: weit gefehlt.
An diesem Abend stand der Rock’n Roll absolut im Vordergrund. Es gab auch die ein oder andere ruhige Stelle, die mit Songs wie „Let it be“ und „Yesterday“ einen anderen (emotionalen) Höhepunkt erreichte. Aber über weite Strecken wurde kräftig abgerockt. Hierzu braucht man natürlich Musiker, die das Genre bedienen können. Und die standen an diesem Abend zweifelsohne auf der Bühne:
- Rusty Anderson – (Backing vocals, electric guitar, acoustic Guitar)
- Paul Wickens (Backing vocals, keyboards, electric guitar,acoustic guitar, bongos, percussion, harmonica, accordion)
- Brian Ray (Backing vocals, bass, electric guitar, acoustic guitar)
- Abe Laboriel, Jr. (Backing vocals, drums, percussion)
- Paul McCartney (Lead vocals, bass, acoustic guitar, piano, electric guitar, ukulele)
Neben der guten musikalischen Performance aller Protagonisten stach auch die instrumentale Vielfalt der Musiker hervor. Da Paul McCartney selbst seine Instrumente das ein oder andere mal wechselt (zum Beispiel vom Bass zur Gitarre), wechseln auch die anderen Musiker ihre Instrumente. Wenn Paul Bass spielt, bedient Brian Ray die Gitarre.
Die Band war gut eingespielt und zusammen. Alle Musiker haben einen exzellenten Chorgesang „abgeliefert“. Das fand ich auch schön: Keine Streicher, keine drei gut aussehenden Backgroundsänger/innen… kein doppelter Boden – alles live.
Besonders Rusty Anderson ist mir bis heute mit seinem grandiosen Gitarrenspiel in Erinnerung geblieben: Der Man ist ein echter Kracher. Voller Energie haut er mit einem monstermäßigen Sound die altbekannten Riffs ‚raus, spielt richtig gute Gitarrensoli und ist dazu auch noch ein toller Performer. Sehr sehr geil …
Man sieht den Musikern förmlich den Spaß an. Das kommt sehr gut rüber. Daran ist Paul McCartney nicht unschuldig: Er hat sich einige kleine Geschichten aus seinem Leben auf Deutsch zurecht gelegt. Oft ist so was peinlich, hier kam das aber eher sympathisch rüber, hat die Nähe zum Publikum spürbar verstärkt und den ein oder anderen Lacher verursacht.
So hat er zum Beispiel an die Anfangszeit der Beatles in Hamburg und an die ersten deutschen Worte auf Deutsch erinnert, die natürlich – wie war es anders zu erwarten bei jungen Rockmusikern – mit Essen zu tun hatten: „Zwei Frikadellen bitte“ , „Spiegelei auf Toast“ oder „Gemüseplatte“. Auch auf Deutsch hat er seinem Freund John (Lennon) und seiner Frau Nancy jeweils einen Song gewidmet.
Und Songs gab es an diesem Abend reichlich. In über zweieinhalb Stunden spielte Mc Cartney mit seiner Band 38 Songs. „Es“ wollte gar nicht mehr enden. Wie ich diese spannende Mischung aus unterschiedlichsten Lebensstationen McCartney’s (Beatles, Wings, Solo, Songs aus der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern wie Kanye West oder Rihanna) so höre denke ich: Wow, der Mann hat viele gute Nummern geschrieben.
Die Show an diesem Abend war bombastisch. Von großen Leinwänden bis hin zur Laser- und Lightshow, Ventilatoren, die Paul’s Haare wehen lassen bis hin zu einer (ich war wirklich erstaunt) Pyroshow war alles was das Herz (also mein Herz) begehrt, dabei.
Aber der ganze Show“firlefanz“ verpufft im Nichts, wenn nicht auch der Musiker diese Dinge authentisch rüberbringt. Und das ist Paul McCartney in Düsseldorf sehr gut gelungen.
Das Fazit für mich an diesem Abend (und auch jetzt fast ein Jahr später noch): Wenn man die Dinge, die man macht, mit Liebe macht, spielt das Alter keine Rolle. Alles wird zeitlos.
Danke Paul.
Hier die Set Liste vom Konzert in Düsseldorf. Ich hoffe alles stimmt so.
- A Hard Day’s Nigth
- Save Us
- Can’t Buy Me Love
- Letting Go
- Temporary Sebretary
- Let Me Roll It
- I’ve Got a Feeling
- My Valentine
- Nineteen Hundred and Eighty-Five
- Here, There and Everywhere
- Maybe I’m Amazed
- We Can Work It Out
- In Spite Of All The Danger
- You Won’t See Me
- Love Me Do
- And I Love Her
- Blackbird
- Here Today
- Queenie Eye
- New
- The Fool On The Hill
- Lady Madonna
- Four Five Seconds
- Eleanor Rigby
- Being For The Benefit Of Mr. Kite!
- Something
- Ob-La-Di, Ob-La-Da
- Band On The Run
- Back In The U.S.S.R
- Let It Be
- Live And Let Die
- Hey Jude
- Yesterday
- Hi, Hi, Hi
- Birthday
- Golden Slumbers
- Carry That Weigth
- The End
Musik in der Sendung
- „A Hard Day’s Night“, The Beatles 1964, Album „A Hard Day’s Night“
- „Live and Let Die“, Paul McCartney and The Wings, 1972
- „The End“, The Beatles 1969, Album „Abbey Road“
- Die Homepage von Paul Mc Cartney
- Über Paul Mc Cartney bei Wikipedia
- Paul bei Facebook
- Die Beatles Biographie von Hunter Davies bei Amazon
- Interview mit dem Keyboarder Joonas Lorenz, der in einer Beatles Tribute Band spielt
Ich habe vor kurzem eine sehr jugendliche Britpop Band live gesehen: The Luka State. Hier ist ihr Face Book Account