Sol Gabetta und Hélène Grimaud in der Tonhalle Düsseldorf

Vor etlichen Jahren spielte ich im Rahmen einer Theaterproduktion (Weltraum.Faust.Traum, Theater K – Aachen) Cello.

Nein ich bin kein Cellist und wir hatten damals die Musik für mein nicht vorhandenes Können komponiert. Ich habe mich bis zur Premiere einige Wochen mächtig ins Zeug gelegt und sehr viel geübt. Wir haben dann knapp 30 Vorstellungen gegeben und ordentlich Spaß zusammen gehabt.

Gespielt habe ich seit dem kein Cello mehr, aber die Begeisterung für Instrument und Klang sind bis heute geblieben. Ich habe einige spannende Konzerte mit diesem Instrument sehen können. Mal Solo, mal im Orchester-Kontext oder in kleineren Besetzungen.

So auch am 26. Januar in der Tonhalle Düsseldorf mit den Musikerinnen Hélène Grimaud (piano) und Sol Gabetta (Violoncello).

In der Düsseldorfer Tonhalle habe ich schon viele tolle Konzerte erleben dürfen. Ich mag das Gebäude, das Ambiente und die Atmosphäre im großen Konzertsaal, die – trotz über 1850 Sitzplätzen – sehr „familiär“ rüberkommt. So fühlte es sich auch ganz natürlich an, ein so wunderbares Duo in dieser Location zu sehen, zu hören und zu erleben. Zwei Superstars der klassischen Musikszene in relativ intimer Konzertatmosphäre.

In diese tauchten die beiden Künstlerinnen unmittelbar nach dem Willkommensapplaus mit der Komposition Spiegel im Spiegel von Arvo Pärt ein. Der meditative Fluss der ostinaten Dreiklangsstrukturen vom Klavier und die filigranen sehr langen Melodietöne vom Cello ziehen mich sofort in ihren Bann.

Ruhe breitet sich aus, ich vergesse alles um mich herum. So einfach der Notentext ist: Die Entwicklung logischer fortschreitender Spannungsbögen erfordert hier viele musikalische Qualitäten. Gut zusammen harmonieren, eine klare Vorstellung der dynamischen Gestaltung, einen feinen Anschlag am Klavier und eine gefühlvolle Bogenführung am Cello. Und da braucht man nicht zweimal hinhören. Die Klänge entstehen fast wie aus dem Nichts. Das An- und Ausklingen der langen Melodietöne am Cello ist ein wahrer Genuss, genauso der immer fließende Klavierpart. Hier atmen zwei Musikerinnen den gleichen Atem. Das hat direkt richtig Spaß gemacht.

Die im Programmheft angegebene Spieldauer von Spiegel im Spiegel mit ca. 10 min kam mir überhaupt nicht so lange vor. Die Zeit verging wie im Fluge. Ich war ganz erheitert, als es dann direkt – ohne Applaus und Noten Blättern – in die Musik Schumanns überging.

Die 5 Stücke im Volkston op. 102 sind kürzere Stücke mit einfachen kleinen Melodien. Man könnte fast sagen „zum Mitsingen“, die Themen sind leicht zu merken und bleiben noch lange im Ohr. Ich weiß nicht warum, aber auf mich machten die 5 Stücke einen sehr modernen Eindruck. Hier die jeweiligen Eröffnungsmotive:

 

 

 

 

Sol Gabetta und Hélène Grimaud spielen mit Leidenschaft. Die tänzerischen Momente berühren mich ebenso wie die langsamen Passagen.  Eine Begleitung – wenn man angesichts der musikalischen „Verdichtung“ überhaupt von Begleitung sprechen kann – fließt in eine Melodie und umgekehrt. Virtuos und doch einfach.

Mein musikalisches „Verlangen“ war jetzt völlig entfacht und ich hatte Lust auf mehr. Unter den vielen Komponisten gibt es zwei, für deren Musik  ich mich immer wieder von Neuem begeistern kann: Bach und Debussy. Die Musik der beiden Herren ist für mich tiefgründig, auf gewisse Weise spirituell und zeitlos.

Ich hatte Debussy’s Sonate für Violoncello und Klavier d-Moll L135  bisher noch nicht gehört und war gespannt auf die nachfolgende Darbietung.

Direkt vom ersten Ton an hatte mich Debussy oder, sollte ich besser sage, hatten mich Hélène Grimaud und Sol Gabetta am Haken. Ich konnte unmittelbar in Debussy’s Klangwelt eintauchen. Die Eröffnung vom Klavier und das sich anschließende erste Cello Thema im ersten Satz Prologue nahm mich direkt mit auf die Reise. Die Interpretation dieser Musik war für mich sehr spannend über die komplette Spieldauer. Mit Inbrunst gespielte lyrische Motive, die für Debussy typischen Akkordprogressionen oder wie aus dem Nichts aufkommende unter stetigem Crescendo rollende Klavierpassagen (Animando poco a poco) sind ein wahrer Genuss.

Mich begeistert neben der Klangformung auch die vielfältige dynamische Gestaltung der Musik. Diese ist natürlich vom Komponisten über weite Strecken vorgegeben. Die Interpretation der beiden Musikerinnen zeigt aber, wie sehr sie sich auch hier mit der Musik und dem Komponisten auseinander gesetzt haben. Dieses gemeinsame Atmen, rausnehmen der Energie, eintauchen in kurze Rubato Passagen und auch das kurze gemeinsame Innehalten vor neuen Motiven ist für mich Musizieren auf höchstem Niveau.

Als dann im letzten Satz Finale (Léger et nerveux) nach der Cello Melodie im Largo die vier ff-Schluss-Akkorde erklingen, möchte ich am liebsten aufspringen, tanzen und laut meine Begeisterung herausschreien. Als „kultivierter Klassikhörer“ habe ich das mit dem Tanzen und Schreien gelassen und mich statt dessen dem begeisterten Applaus der Menschen um mich herum angeschlossen.

Ein guter Moment für eine kleine Erfrischungspause, obwohl meine Frau und ich durch die Musik völlig erfrischt in die Pause gegangen sind, wie auf dem Foto unten gut zu sehen ist.

Dennoch sind Pausen in Konzerten – für die Musiker/innen natürlich sehr wichtig – für mich als Zuhörer immer eine kleine Herausforderung. Ohne geht es nicht: Möchte man doch den Kopf kurz leer bekommen, runterschalten und bereit sein für mehr Input. Mit Pause ist es aber auch nicht ganz einfach, da die Energie (bei mir) oft etwas nachlässt. Ich höre und erlebe Musik sehr intensiv. Am liebsten bleibe ich ganz bei mir, spreche nicht und lasse das eben gehörte gerne auf mich oder in mir wirken…

So fand ich es zu Beginn des zweiten Konzertteils nach der Pause zunächst nicht ganz einfach mich vollständig der Musik Johannes Brahms‘ hinzugeben. In Anbetracht der musikalischen Darbietung kamen Energie und Konzentration jedoch recht schnell wieder zurück und komischer Weise ist mir gerade das Anfangsthema des ersten Satzes Vivace ma non troppo mit seinen spannenden Variationen innerhalb des ersten Satzes besonders in Erinnerung geblieben.

 

Auf mich wirkt diese Musik von Johannes Brahms sehr emotional. Sie ist durchzogen von Wehmut, Trauer und aber auch Fröhlichkeit. Ich finde mich in vielen Passagen wieder, finde mich zurecht, glaube zu verstehen, was Brahms damit aussagen möchte, obwohl ich ja eigentlich keinen historischen Hintergrund habe. Das liegt wohl auch zweifelsohne an der wunderbaren Interpretation der beiden Musikerinnen, die diesen Emotionen in der Musik Brahms Leben einhauchen. Es klingt wie bei den anderen Kompositionen des heutigen Abends: Authentisch.

 

 

Authentisch ist ein wirklich passendes „Schlußwort“. Der komplette Programmablauf passte für mein Empfinden richtig gut zusammen. Die Musik war gut gewählt, die Interpretationen geschmackvoll. Viele Nuancen der Spieltechniken – über musikalischem feinfühligem Understatement bis hin zu glänzender virtuoser Spielkunst – der beiden Musikerinnen an ihrem jeweiligen Instrument kamen wunderbar zum Ausdruck. So endete der Brahms in aller Ruhe und mit jenem Understatement, das auch die beiden Musikerinnen ausstrahlen:

Zwei Superstars der klassischen Musikszene sind „ganz am Boden“, geerdet und ohne Allüren. Sie leben ihre Kunst durch ihr Können, aber mehr noch durch ihr Mensch sein.

Neben der Cis-Moll-Etüde von Chopin gab es noch zwei weitere spannende Zugaben von Manuel de Falla, so dass sich das Publikum vor Begeisterung gar nicht mehr einkriegen wollte.

Nachdem Sol Gabetta noch kurz die Namen der Zugaben erklärt hatte, gingen die beiden Musikerinnen sichtlich glücklich noch nicht ganz in den wohlverdienten Feierabend, sondern nach kurzer Erfrischung zur Autogrammstunde ins Foyer der Tonhalle. Dort stand schon eine sehr lange Schlange begeisterter Fans, in die ich mich allerdings nicht mehr eingereiht habe.

Ich brauchte noch etwas Zeit mit der Musik und meiner bezaubernden Frau…

Noch etwas forschen:

Ein Blick auf die Faceook Seiten der Musikerinnen lohnt sich auch sehr  – es gibt spannende Dinge zu entdecken…

Die CD „Duo“

Auf der CD Duo – aufgenommen im Jahre 2012 in der Philharmonie in Essen – kannst Du neben der oben beschriebenen Sonate von Claude Debussy noch Werke von Robert Schumann (Drei Fantasiestücke op. 73), Johannes Brahms (Sonate für Piano und Violoncello No.1 op. 38) und Dmitri Shostakovich (Sonate für Violoncello und Piano op. 40) hören.

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